BerufsbiLDung 2.0
Das Konzept ist so simpel wie bestechend: Statt auf allen Abteilungen verteilt, sind alle Auszubildenden am Standort Aarwangen seit Herbst 2024 der gleichen Station zugeteilt. Auf dieser sogenannten Entwicklungsstation absolvieren sie ihre Ausbildung in kontinuierlichem Austausch, sowohl mit den Berufsbildner:innen als auch untereinander. «Neben den Auszubildenden ist jeden Tag jemand von uns auf der Station und verteilt die Arbeit lehrjahrgerecht unter den anwesenden Auszubildenden», erklärt die Berufsbildungsverantwortliche Sabrina Egli.
Sabrina Egli
«Ziel ist es, den Auszubildenden ihrem Kompetenzstand entsprechend möglichst viel Verantwortung zu übergeben und sie Arbeiten selbstständig erledigen, oder durch die begleitende Ausbildnerin gecoacht werden.» Jene aus dem ersten Lehrjahr werden eng begleitet – so lange, bis sie nur noch sporadisch ein Back-up brauchen. Zur praktischen Ausbildung gehört auch das Erarbeiten von Theoriewissen, welches danach mit der Praxis verknüpft und den anderen Mitarbeitenden zugänglich gemacht wird.
Sabrina Egli und Tugce Köktas beim Blistern von Medikamenten.
So oder so werden sie eng begleitet und in ihrem Ausbildungsweg bestmöglich unterstützt. Nach den Vorteilen gefragt, kommt Sabrina Egli aus dem Aufzählen kaum heraus: «Dank der Entwicklungsstation sind wir von der Berufsbildung im Alltag unserer Auszubildenden wirklich präsent. Vorher gab es mit jedem und jeder Auszubildenden ein Treffen pro Monat, also immer nur kurze Einblicke, selten ein Gesamtbild. Jetzt sind wir kontinuierlich dran. Das Lernen sowie der Transfer von der Theorie in die Praxis finden fortlaufend statt.»
Unter den Auszubildenden beobachtet Sabrina Egli seit September ebenfalls viel mehr Nähe und Austausch. «Es ist beeindruckend, wie sie ihre Ressourcen nutzen und sich gegenseitig motivieren.» Dadurch sind die Rollen und Zuständigkeiten klar, sprich: Die Auszubildenden sind nicht Arbeitskräfte, sondern tatsächlich Auszubildende. «Dadurch trauen sie sich eher, bei Unsicherheiten nachzufragen.» Diese Beobachtung teilt Tugce Köktas. Sie ist im dritten Lehrjahr, kennt auch die vorherige Lernsituation und sieht in der Entwicklungsstation einen klaren Mehrwert: «Seit dem Modellwechsel kann ich als Auszubildende viel mehr profitieren und Arbeiten übernehmen und werde auch von anderen Stationen öfter dazugeholt, wenn zum Beispiel eine Blutentnahme gemacht wird. Vorher sind solche potenziellen Lernmomente oft im Tagesgeschehen untergegangen.» Auch Stefania Hafner aus dem zweiten Lehrjahr schätzt, dass sie ihre Fragen fortlaufend stellen kann und «immer eine berufsbildende Person da ist, die mir bei Bedarf über die Schulter schauen kann».
Ein weiteres Ziel der neuen Ausbildungsstrategie ist, die Auszubildenden durch ein positives Lern- und Arbeitserlebnis nach dem Abschluss im Betrieb zu halten. Ein Plus an Attraktivität als Arbeitgeberin, das Sabrina Egli auch auf Seiten der Berufsbildung sieht: «Was vorher oft nebenher lief, steht auf der Entwicklungsstation im Fokus und ist die Hauptaufgabe. Wer hier in der Berufsbildung arbeitet, kann sich voll und ganz darauf konzentrieren, eigene Ideen einbringen und vielfältigen Gestaltungsfreiraum nutzen.» Profitieren werden am Standort Aarwangen bald auch andere Stationen: Nach den ersten sechs Monaten, wenn alle den Tagesbetrieb kennen, schwärmen die Auszubildenden gestaffelt aus und absolvieren interne Praktika. In einem nächsten Schritt will die Stiftung das innovative Ausbildungsmodell dann auf andere Standorte ausweiten. Fortsetzung folgt also garantiert.